Die Kirche soll im Dorf bleiben
In der BZ war kürzlich zu lesen, dass rund 30 % der Kirchen in Hamburg um ihre Existenz bangen müssen. Wenn man dann unsere schönen alten Kirchen im Landgebiet ansieht, werden viele mit Entsetzen sagen: das darf doch wohl nicht wahr sein! Doch wenn man an manchen „Vielzweckraum“ denkt, der zu bestimmten Zeiten als Kirche errichtet wurde, fällt es nicht ganz so schwer sich gedanklich zu verabschieden.
Und sicher denken nicht wenige Bürger: Weg mit Schaden! Was soll diese Vergeudung von Geld und Kraft, um eine überkommene Institution zu pflegen, mit der man eigentlich nichts mehr zu tun hat oder haben will. Denn wer geht schon jeden Sonntag in den Gottesdienst – außer dem Pastor und denen, die eben andauernd zur Kirche „rennen“ (woher stammt eigentlich dieser Ausdruck? Die meisten regelmäßigen Kirchgänger rennen schon lange nicht mehr.) Ganz zu schweigen von denen, die Kirche grundsätzlich ablehnen.
Ich frage mich aber, warum sich auch Menschen schon über den bloßen Gedanken einer Kirchenschließung aufregen, die (fast) nie in eine Kirche gehen und der christlichen Tradition kritisch gegenüber stehen. Vielleicht steckt dahinter die Ahnung, dass es bei Kirche eben nicht nur um ein Gebäude geht, das historisch oder ästhetisch mehr oder minder bedeutsam ist. Und in der Tat: Kirche ist auch sehr viel mehr als die sichtbare Institution, die diesen Namen trägt. Recht verstanden ist die Kirche die Gemeinschaft der Heiligen (wie es im Glaubensbekenntnis heißt) – sie weist weit über sich hinaus, denn zu ihr gehören alle, die je geglaubt haben, die es jetzt tun und die es in Zukunft tun werden .
Die Kirche ist die Gemeinschaft der Menschen, die glauben, dass Gott dem Tod die Macht genommen hat. Und der Tod findet eben nicht nur oder erst dann statt, wenn man seinen letzten Atemzug getan hat, sondern oft genug mitten im Leben, wenn Liebe oder Hoffnung gestorben ist. Zur Kirche gehören auch jene, denen der Glauben abhanden gekommen ist, die aber in sich eine tiefe Sehnsucht empfinden danach, angenommen und verstanden zu sein, eine Sehnsucht danach, glauben zu können. Sonntags treffen wir uns, um für alle zu beten, die nicht beten können, weil ihr Kummer zu groß ist, oder die es einfach nie gelernt haben.
Die schönen Kirchbauten sind uns und allen guten Willens ein Unterpfand dafür, dass diese Gemeinschaft der Glaubenden tragfähig und stabil ist. Diese Gebäude weisen, wenn sie gelungen sind, über sich hinaus und stillen schon hier unsere Sehnsucht nach Weite und Geborgenheit, nach Schönheit und Gelassenheit. Wenn man nun möchte, dass diese Gebäude erhalten bleiben, wenn man möchte, dass überall lebendige Gemeindearbeit stattfindet, dann gilt das Wort eines Kollegen: „Wenn die Kirche im Dorf bleiben soll, dann muss auch das Dorf in der Kirche bleiben.“
Anders gesagt: Wenn Sie Kirchen erhalten wollen, nutzen Sie sie. Wenn Sie sich von der Kirche getrennt haben, dann nutzen Sie doch diesen Sommer dazu, wieder einzutreten. Es ist ganz einfach: rufen Sie Ihren Pastor oder Ihre Pastorin an, oder melden Sie sich im Gemeindebüro. Wir freuen uns auf Sie!
Andreas Meyer-Träger