Gedanken zum Jahreswechsel: Gewogen und für … befunden !?!

veröffentlicht am 20. März 2021

Nun blicke ich auf ein fast vollendetes Jahr 2020 zurück. Was für ein Jahr! Vieles Hals über Kopf. Viele Veränderungen. Ein Virus hat in vielem am Drehbuch mitgearbeitet.


Aber wie muss ich dieses Jahr bewerten? War es gut? War es schlecht? War ich frei? War ich unfrei? War ich unglücklich? War ich glücklich? Konnte ich mich den neuen Gegebenheiten stellen? Oder konnte ich mich dem nur passiv gegenüber verhalten? Stimmen die Maßstäbe noch? Oder sind die Gewichtungen in die Jahre gekommen? Haben sie Patina und Rost angesetzt? Und wiegt dieses eine große Ereignis so schwer, dass darüber alles andere un(ge)wichtig geworden ist? Heute am Altjahrsabend kann ich sagen, dass dieses Jahr ein Jahr meines Lebens gewesen ist. Und bei weitestem nicht das schlechteste.


Klar, das Virus und seine Folgen haben mich nachhaltig beeinflusst. Klar, die Einschränkungen haben mein Leben verändert. Aber es war mein Leben! Und wie in jedem anderen Jahr auch – musste ich mich auf neues und ungewohntes einlassen. Musste alte Wege verlassen und neues wagen. Ich musste immer wieder abwägen und entscheiden. Dabei war ich nicht allein. Nicht in meinem persönlichen Leben und nicht in der Gemeinde und in unseren drei Dörfern. Und obwohl Nähe und Distanz nun auch durch äußere Einflüsse neu definiert worden sind, konnte ich vielen Menschen nahe sein.


Ich bin dankbar für die Menschen um mich herum. Für meine Familie zu allererst. Ihr seid einfach unbeschreiblich klasse! Wir haben zusammen so vieles gemeistert: Schon in den letzten Jahren. Nun aber erst recht!


Für all die Menschen in der Gemeinde und in unserem Gemeinwesen – in unseren Dörfern: Nachbarschaft und Nachbarschaftshilfe wurde von euch mit Leben gefüllt. Immer wieder und unermüdlich. Aufeinander wurde Acht gegeben. Es wurde füreinander gesorgt. Eingekauft, telefoniert, hingehört und oft ein passendes gutes Wort gefunden.


Pastoral und dienstlich wurde vieles auf den Kopf gestellt. Aus spontanen Gedanken wurden verlässliche Momente. Das Internet hat geholfen: Fast 60 Livestreamgottesdienste haben wir miteinander erlebt. Wir haben die Liturgie auf das Medium Handy beschränkt. Und auf den Sonntag war Verlass: Um 10 Uhr aus der Dreieinigkeitskirche Allermöhe-Reitbrook bzw. um 11 Uhr aus St.Nikolai Moorfleet. Mit Musik, Bildern und Gedanken zu Kirchenjahr. Mit Predigt,
Gebetsstille, Trost und Segen.


Taufen und Trauungen wurden bis auf wenige Ausnahmen vertagt. Beerdigungen fanden unter einschränkenden
Umständen statt. Wie heißt es so schön: „Mit und unter Corona“. Bei den meisten Gesprächen waren Masken unerlässlich. Dennoch konnten wir immer auch Gesicht zeigen, mussten keine „Maskerade“ machen. Viele tiefe Begegnungen habe ich so erlebt. Trauer, Nicht-Weiter-Wissen, Befürchtungen aber auch Glück, Liebe, Hoffnung und Leben. Neu anfangen müssen!


Bei allem und in allem habe ich mich getragen gefühlt. Getragen von Menschen, die mit mir unterwegs sind, die mit mir Verantwortung tragen, die mit mir entscheiden. Ich bin dankbar für das gute Miteinander im Kirchengemeinderat!


Getragen auch von den Menschen, die mir in den verschiedensten Situationen neu begegnet sind, die etwas von mir erwartet haben, die sich mit ihren Fragen an mich auf die Suche nach ihren eigenen Antworten gemacht haben.


Getragen von Gott, dessen Mitsein spätestens seit meiner Konfirmation einen verbalen Ausdruck gefunden hat:
„Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir!“ Psalm 139,5

Tatsächlich schubst er mich manchmal auch. Gibt mir einen Anstoß in eine neue nicht vertraute Richtung. Und das ist gut so!

Und gerade in Krisen bin ich immer wieder an Kräfte geraten, die ich nie und nimmer für möglich gehalten hätte. So auch in diesem Jahr. Ich bin dankbar für die Kreativität, für das Wagen in Neuland, für die viele Liebe und das Vertrauen, das ich immer wieder erfahren darf. Ja, 2020 war ein Jahr meines Lebens. Und Corona war ein nicht
unbedeutender Teil davon. Und aller Voraussicht nach wird Corona das auch weiterhin sein.


Und, es stimmt, die Gewichte und Gewichtungen haben sich verschoben. Weg von manch Äußerlichkeit hin zu dem, was wichtig und notwendig ist. Hin zu dem, was wirklich Not wenden kann. Davon habe ich mit vielen zusammen etwas erleben – und mit Leben füllen – dürfen.


Euch allen wünsche ich ein gesegnetes Jahr 2021!


Euer Michael Ostendorf