Neuer Gemeindebrief mit Grußwort von Pastor Andreas Meyer-Träger

veröffentlicht am 3. September 2020

Der neue Gemeindebrief UNS KIRCH für die Monate September, Oktober und November ist erschienen und wird verteilt. Weitere Exemplare liegen in der Kirche aus und sind im Gemeindebüro erhältlich. Nachstehend das darin enthaltene Grußwort von Pastor Andreas Meyer-Träger:

Zwischen den Zeiten

Corona hat unser Zusammenleben stärker durcheinandergewirbelt, als zu Beginn zu erwarten war. Die Folgen sind nicht absehbar. Die Stimmung ist ganz merkwürdig. Ich beobachte bei mir selbst und bei vielen anderen Menschen, eine gewisse Müdigkeit oder Niedergeschlagenheit. Einer der ersten Sätze der Bibel lautet: Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei. Es macht uns unerfüllt und unruhig, unausgeglichen, wenn wir nicht im Kontakt mit anderen Menschen sind. Wir sehnen uns nach Normalität. Das führt leider dazu, dass immer mehr Menschen sich unvernünftig verhalten und die Regeln, die im März und April noch einleuchteten, nun missachten.
Zugleich erlebe ich aber auch große Hilfsbereitschaft bei vielen Menschen.
Nicht wenige sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Die Kirche geht davon aus, dass in diesem Jahr 25-30 % weniger Kirchensteuern gezahlt werden als bisher. Es ist zu erwarten, dass dadurch Prozesse beschleunigt werden, die die Kirche immer weiter zurückdrängen. In Hamburg gehören nur noch 25 % der Bevölkerung unserer Kirche an. Dadurch sind auch Gemeinden in ihrer Existenz bedroht. Es muss deutlich gesagt werden, dass bei weiter sinkenden Einnahmen und Mitgliederzahlen in der Zukunft der Versorgungsstandard nicht gehalten werden kann. Wie viele Gemeinden wird es in zehn Jahren noch im Landgebiet geben? Wie wird kirchliches Leben dann aussehen?

Die Überschrift für dieses Grußwort stammt von einem Aufsatz, den Friedrich Gogarten vor genau 100 Jahren veröffentlicht hat. Er beschreibt in diesem Aufsatz, wie – nach dem Ende des Kaiserreichs im Übergang zur Demokratie – die Menschen das Gefühl haben, zwischen den Zeiten zu sein. Das Alte, das Vertraute, ist vergangen. Das Neue ist noch nicht herbeigekommen. Diese Überschrift war der Titel einer Zeitschrift, in der Theologen Aufsätze formuliert haben, die unter dem Stichwort „Dialektische Theologie“ zusammengefasst werden. Karl Barth und Rudolf Bultmann sind die bekanntesten Vertreter aus dieser Gruppe, diespäter in der Bekennenden Kirche sich Hitler entgegenstellten, weil sie aus ihrer konservativen Grundüberzeugung sich dem Gehorsam gegenüber Gottes Wort verpflichtet wussten und dem Zeitgeist und der esoterischen Wahn-Idee eines „Übermenschen“ widersprachen.


Ihr Lebensgefühl ist auch meines. Ich bin der Überzeugung, dass die Kirche, wenn sie in dieser Gesellschaft überleben, wenn sie nicht einfach bloß vorhanden, sondern sinnvoll zum Gemeinwesen beitragen will, nur eine Möglichkeit hat: sie muss sich darauf besinnen was das Grundanliegen der Kirche ist, was der Auftrag ist, den ihr der Herr der Kirche, den Jesus Christus selbst ihr gegeben hat. Im Augsburgischen Bekenntnis von 1530 ist verbindlich zusammengefasst, was die Kirche ist: „Die Kirche ist die Versammlung der Heiligen, in der das Evangelium rein gelehrt und die Sakramente richtig verwaltet werden. (CA VII)“.


Hierin besteht die Hauptaufgabe der Kirche: den Menschen in einer orientierungslosen Welt das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen. Und das ist keine Kleinigkeit. Dazu nimmt Gott jeden einzelnen Christenmenschen in Dienst. Wir alle sind durch ihn berufen im Gespräch mit denen, die durch Corona oder ein anderes Leid die Orientierung verloren haben, Trost zuzusprechen, dass Christus, der den Tod überwunden hat, uns hilft, die Krisen unseres Lebens zu überwinden.

Andreas Meyer-Träger